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Du hast Arschloch gesagt?
Wenn
ihr Kind am Mittagstisch sitzt und sein linkes Ohrläppchen zuckt nervös,
dann stimmt etwas nicht.
"Na, wie war die Schule?"
"Jo och, ganz gut. Der Pascal hat `ne sieben in Mathe bekommen. Frau
Kerschner hat gesagt. Wer so viel falsch macht, ist ein Idiot und der kann
keine richtige Note erwarten. Er soll das nächste Mal sein Gehirn mit in
die Schule bringen."
"Und mit dir war alles in Ordnung?"
"Äh ja und Maria hat im Sport nicht mitmachen wollen und da hat Herr
Recknagel gemeint, sie soll nicht so viel Essen, dann wäre sie nicht so
fett und ..."
"Herr Gott, ich habe dich gefragt, ob mit dir alles in Ordnung war.
Die dicke Maria und der verblödete Pascal interessieren mich nicht.
Also?"
"Ich konnte nichts dazu. Die anderen haben mich geärgert und da habe
ich etwas gesagt und dann sollte ich gleich mein Hausaufgabenheft
hergeben, da wollte die Frau Kerschner was hineinschreiben."
"Dann zeig her!"
In
dem Hausaufgabenheft stand mit roter Tinte ein Eintrag:
"Ich muss Ihren Sohn heute tadeln. Er hat seine Klassenkameraden mit
einem unanständigen Ausdruck tituliert. Das Wort ‚Arschloch' gehört
nicht zu dem an unserer Schule benötigtem Vokabular. Bitte berücksichtigen
sie das bei Ihrer Erziehung."
"So, Arschloch hast du gesagt. Weißt du, was du mir damit antust?
Ich stehe wie ein Lump da, der seinen Jungen nicht erziehen kann. Wenn
Frau Kerschner das dem Jugendamt mitteilt, dann stecken die dich in ein
Erziehungsheim oder ins Kindergefängnis bei Wasser und Brot und dort übernachtest
du in einem gekachelten Raum ohne Fenster und ohne Bett. Auf der blanken
Erde schläfst du da. Und morgens schütten sie kaltes Wasser über dich
zum Wach werden. Und dann musst du das Wort Arschloch eintausend Mal mit
Bleistift schreiben und wieder wegradieren. Willst du das?"
"Nein"
"Hör auf zu heulen. Ich rufe jetzt deine Mutter an, dann deine Oma
und die Erziehungsberatungsstelle, danach die Vokabelpolizei und die CIA.
Die kennen sich hervorragend mit Gehirnwäsche aus. Das ‚Arschloch'
werden wir dir schon austreiben."
Das
Telefonat mit meiner Verflossenen und mit Oma verlief ergebnislos. Sie
fingen an zu heulen und gaben mir die Schuld. Die
Erziehungsberatungsstelle wollte wissen, ob das Kind Schokolade isst, ob
ich regelmäßig Geschlechtsverkehr habe und ob ich wüsste, dass wir
einen neuen Papst haben. Die Vokabelpolizei stand nicht im Telefonbuch.
Blieb nur noch die CIA. Sie wollten mir einen Cleaner vorbei schicken. Bis
zu seinem Eintreffen sollte ich versuchen mehr über die Hintergründe des
Verbrechens herauszufinden.
"Also
mein Junge. Wie war das eigentlich mit der Verschwörung. Wer steckt
dahinter?"
"Zuerst hat mich Benjamin im Unterricht mit einem langen Lineal ins
Genick geschlagen und als ich ‚Aua' rief, hat Frau Kerschner gesagt, ich
soll den Unterricht nicht stören."
"Und dann hast du Arschloch zu Benjamin gesagt? Meine Güte, seine
Eltern sind angesehene Geschäftsleute. Du kannst doch zu ihren Kind nicht
so etwa sagen."
"Hab ich ja auch nicht. Dann hat Marcus meinen Radiergummi genommen
und Frau Kerschner damit beschmissen als sie etwas an die Tafel schrieb.
Und als sie fragte, wem der Radiergummi gehört habe ich mich gemeldet und
sie hat mich vor die Tür geschickt.
"Und dann hast du Arschloch gesagt? Zu Marcus? Bist du toll? Marcus
Vater ist im Elternbeirat. Wenn mich keiner mehr grüßt, weiß ich
warum."
"Nein, zu Marcus habe ich`s auch nicht direkt gesagt."
"Ja zu wem denn sonst?"
"Jacqueline hat mir ins Gesicht gespuckt, weil sie dachte ich hätte
in ihrem Heft herum geschmiert. Dabei war`s der Fabian. Und dann hat
Sebastian im Unterricht Wasser auf meinen Stuhl gemacht und ich habe mich
reingesetzt und dann haben sie gerufen Hosenpinkler. Da hat's mir gereicht
und habe gerufen ihr seid alles Arschlöcher."
"Mein Gott, Junge! Sebastians Eltern wohnen in einem eigenen Haus und
Fabians Mutter ist seit Jahren Putzfrau bei IKEA. Ich kann mich doch
nirgends mehr blicken lassen. Wir werden in eine andere Stadt ziehen müssen.
Was hast du nur getan?"
In
diesem Moment klingelte es an der Tür. Es war ein Herr in schwarzem
Anzug, mit dunkler Sonnenbrille und einem silbernen kleinen Koffer. Darin
befand sich ein Gerät mit zwei Schaltern, einer Digitalanzeige,
Kontrollleuchten und zwei Schläuchen. Es war die Gehirnwaschmaschine. Wir
knebelten und fesselten mein armes Kind zu seinem Besten, steckten die
Schläuche in beide Ohren und der Agent schaltet die Maschine an. Nach
kurzem Surren machte es plopp und ein brauner Klumpen wanderte durch den
linken Schlauch ins innere der Maschine. Dann verschwand der Agent und mit
ihm das Wort Arschloch.
Seit
dem prügelt sich mein Sohn zwar und spuckt anderen Kindern ins Heft aber
das Wort Arschloch hat er völlig vergessen. Gute Erziehung kostet eben
seinen Preis.
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