Kurzgeschichten
& Anekdoten

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Perfekte Ordnung  

Wenn man Damenbesuch erwartet, muss die Wohnung ordentlich und sauber sein. Ich möchte nicht, dass mir da jemand übel nachredet und meint, es würde mir an nötiger Sorgfalt in meinem Haushalt mangeln. Aber wie genau ein mitgebrachter Yorkshire Terrier meine Behausung durchkämmen würde, das hatte ich nicht auf dem Bildschirm.  

Eine Woche zuvor waren wir beim Chinesen frittiertes Huhn mit Chilli essen – eine scharfe Angelegenheit – passend zu Lissy`s roten Haaren und ihren läuseblutgeschminkten Lippen und da ich durchaus weiteren Appetit verspürte, lud ich sie am Samstag zu mir zum Essen ein.

Klar, dass ich höchsten Wert darauf legte, eine perfekte Wohnung zu präsentieren, schließlich hatte Lissy ein atemberaubendes Dekolleté und sympathisch waren wir uns auch. Das wollte ich nicht verscherzen. Also schrubbte ich die Badfliesen, desinfizierte WC und Dusche, wischte überall mit Duftreiniger den Boden und rückte sogar das Sofa von der Wand ab, damit ich mit dem Wischmob alles staubfrei bekam. Ich ahnte ja nicht, dass mir das zum Verhängnis werden sollte.  

Danach bereitete ich in der Küche pikant gefüllte Blätterteigtaschen, kochte Tagliatelle, dazu feinen Lachs und zum Nachtisch hatte ich Tiramisu im Kühlschrank. Den Tisch verzierte ich mit blauen Kerzen, orangenen Servietten sowie Cocktail- und Weingläsern – wundervoll anzuschauen alles.  

Punkt zwölf stand Lissy vor der Tür mit ihrem einjährigen braun-weiß-schwarzen Yorkshire Terrier auf dem Arm. Ich bat sie herein, machte ihr einige Komplimente, wie süß der Hund sei, streichelte ihm zärtlich über den Kopf, er leckte meine Hand und dann führte ich beide durch meine bescheidene Wohnung: das Arbeitszimmer, die Küche, das Bad und zuletzt die Wohnstube. Dort fiel mir auf, dass ich das Sofa nicht wieder an die Wand gerückt hatte. Aber das war in dem Moment nicht weiter der Rede wert. Ich ahnte ja nicht...  

Wir begaben uns also in die Küche, Lissi setzte den süßen Hund ab und wir unterhielten uns über ihre Exschwiegermutter, die sie „alte Warzenhexe“ nannte, weil sie so hässlich ist und ihr Ex hätte nicht viel besser ausgesehen. Warum sie mit dem dann 12 Jahre verheiratet war, erschien mir schleierhaft. Während der Unterhaltung wollte Fips, der süße Terrier, aus der Küche entschwinden, und ich sagte ihr, das es vollkommen okay ist und das Hundchen sich ruhig frei bewegen kann. Also entschwand er über den kleinen Flur, wie sich später herausstellte in die Wohnstube. Wir unterhielten uns weiter, worüber weiß ich nicht mehr genau, denn ich hing mittlerweile meiner eigenen Fantasie nach. Wie gesagt hatte Lissy ein sagenhaftes Dekolleté.  

Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen als der Hund plötzlich wieder in der Küche auftauchte. Mir stockte wirklich der Atem und auch Lissi saß zunächst sprachlos auf der Eckbank. Fips hatte einen verdammten Kondom in der Schnauze und wirbelte ihn mit heftigen Kopfschütteln umher als wollte er ihn umbringen. Kleine Tropfen flogen durch die Luft und landeten auf dem Boden und liefen an der Kühlschranktür runter. Als der blöde Hund aber seine Pfote über den Kopf streifte war klar: Der bekommt das nicht aus seinem Maul, was er drin hat. Er hatte sich mit dem Eckzahn durchs Gummi gebissen. Ich war so starr und vermutlich bleich vor Scham, dass ich mich nicht rühren konnte. Lissy sprang auf und wollte dem Hund den Fremdkörper aus der Schnauze holen und bis dahin wusste ich nicht, wie lang sich ein Kondom ziehen lässt, wenn an der einen Seite ein widerspenstiger Hund und an der anderen Seite ein panischer Mensch zerrt. Schließlich löste sich mit einem dumpfen „Flatsch“ das Gummi aus der Hundeschnauze und schnippte dem edlen Frauchen auf den Handrücken. Sie schüttelte angewidert das Gummi ab, schnappte ihren Fips, während ich beide Hände vors Gesicht legte, gelähmt vor Schreck und nur noch entfernt Worte wahrnahm, wie „Schwein“, „ihr seid alle gleich“, „schon wieder so einer“. Dann krachte die Tür ins Schloss und Lissy war samt Terrier verschwunden.  

Erst allmählich dämmerte mir, dass ich neulich eine Begegnung mit einer netten Dame hatte und im Eifer der Sache musste wohl der verdammte Kondom unters Sofa gerutscht sein. Aber das ist eine andere Geschichte. So etwas passiert echt nur mir.

 

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