Kurzgeschichten
& Anekdoten

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Traditionelle Wellnessmassage mit Duftöl  

„Traditionelle Wellness-Thai-Massage“ stand in grünen bambusähnlichen Lettern an dem Schaufenster. Ich hatte tags zuvor eine blöde Zahnbehandlung und das Treffen mit Karlheinz, einem guten Freund, verzögerte sich um anderthalb Stunden. Wellness würde mir sicher gut tun.  

Ich öffnete die Tür zur Thai-Praxis. Ein Duft von Lavendel und Minze stand in der Luft und je näher ich zum Tresen kam, vermischte sich das Aroma mit einem Dunst von gekochtem Reis und Curry aus dem hinteren Bereich des „Etablissements“.

Auf dem Tresen winkte eine kitschige goldene Katze mit ihrer Tatze und an der Wand hingen zwei Bilderrahmen mit Urkunden: „Zertifikat“, „Thai-Massage“ und „Akademie Hoshungua“ stand in dicker Schrift auf den Dokumenten. Den Rest konnte ich nicht lesen.

„Haaaalooo… bitte!“ begrüßte mich eine kleine Thaifrau.
„Ja… ich möchte gerne eine Massage“, antwortet ich.
„Da… bitte… hier steht…“, sagte sie und übergab mir einen Zettel auf dem verschiedene Massageangebote standen. Ich entschied mich für eine einstündige „Extra-Duftöl-Ganzkörpermassage“ für 39 Euro.
„Bitte kommen…“ Die Thai führte mich in die erste Kabine direkt neben dem Eingang. Die linke Seite war mit einer dünnen Holzwand abgetrennt, die nicht einmal bis zur Decke ging, die rechte Seite und der Zutritt waren mit Vorhängen versehen – eben typisch Thai, sehr einfach. Statt einer Liege gab es ein kniehohes Podest mit Teppich überzogen. Darauf lag eine Matratze mit einem großen Handtuch. An der Decke befand sich ein merkwürdiges Gestell.

„Ausziehe bis auf Hose…“ sagte die „Massagistin“ und zog den Vorhang zu. Nach einigen Minuten kam sie wieder mit einigen Handtüchern und einem Babyflaschenwärmer, in dem eine Flasche Öl stand.
„Auf Bauch lege bitte“

Sie massierte mit ihren Händen von meinen Füßen beginnend bis zum Nacken alle Bereiche. Dann sagte sie „Schön locker bleibe“ und stieg mit ihren Füßen auf meine Waden. Jetzt wusste ich wozu das Gestell an der Decke war. Sie hielt sich dort fest, während sie auf mir herumstieg… von den Waden über die Oberschenkel auf mein Gesäß und von dort die Wirbelsäule hoch. Jeder Physiotherapeut hätte diese Technik vermutlich für „Kreuzgefährlich“ eingestuft. Ich hoffte nur, dass nicht irgendwo etwas knackt. Diese kleine Thai erschien mir plötzlich ziemlich schwer.

Danach stieg sie mit ihren Knien auf meine Beckenschaufeln, bohrte gleichzeitig ihre Ellenbogen in meine Schultermuskeln und sagte wieder „Schön locker bleibe“. Und wie sie so auf mir hing, lies sie plötzlich einen kurzen knallenden Furz mit einem Nachzischen. Ich riss die Augen auf vor Entsetzen. War das jetzt der Extra-Duft der Massage? Eine sehr spezielle Form der traditionellen Thaimassage, dachte ich. Nach der Tortur wusch sie mir noch mit lauwarmen Waschlappen das Öl vom Körper und lies mich plötzlich sitzen als eine Kundin die Höhle betrat um einen Gutschein für ihre Mutter zum 80sten Geburtstag zu holen. Mir kroch die Gänsehaut vom kleinen Zeh bis zur Schulter – weil ich fror und weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass die arme Mutter die Massage überleben würde.  

Nach einer Stunde verließ ich die „Praxis“, begleitet von einem Duft aus Lavendel, kochendem Reis und Furz sowie Schmerzen in Waden, Rücken und Schultern. Die kitschige goldene Katze winkte mir hinterher und ich glaubte sie hämisch lachen zu hören. „Danke für Komme!“  

Verdammt, Karlheinz, warum musstest du auch unseren Treffen verschieben.

 

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